Seit Wochen sind die Zeitungen täglich voll mit Artikeln über die Situation in den Heimatländern der Flüchtlinge, auf der sogenannten Balkanroute, in den europäischen Nachbarländern, in Deutschland und nicht zuletzt vor Ort in unseren Kommunen, in denen die Flüchtlinge schließlich landen. Dazu kommen Berichte über größte Hilfsbereitschaft vieler Menschen einerseits und über erschreckende und anwidernde Beispiele primitivster Fremdenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft andererseits.[…]
Vor Ort können wir die durch den Flüchtlingsstrom nach Deutschland entstandenen Probleme nur zu einem geringen Teil lösen; vieles ist Aufgabe der zuständigen Institutionen auf Kreis‑, Landes- oder Bundesebene sowie der Europäischen Union. Für Königstein und die Königsteiner stellt sich gleichwohl die Frage, wie gehen wir damit um, dass uns bisher ca. 120 Flüchtlinge zugewiesen worden sind, dass es bis zum Jahresende noch mehr sein werden, und dass nächstes Jahr noch zahlreiche weitere Flüchtlingen zu uns kommen werden.
Um es vorweg zu nehmen, die FDP Königstein zollt der außerordentlichen Hilfsbereitschaft der Königsteiner den Asylbewerbern gegenüber höchste Anerkennung. Vielfältige praktische Unterstützung in Alltagsfragen und bei Behördenkontakten sowie ehrenamtlicher Deutschunterricht erleichtern die Eingewöhnung bei uns und tragen zum gegenseitigen Verständnis bei. Dabei wird von den Helfern nicht danach unterschieden, aus welchen Ländern und aus welchen Motiven die uns zugewiesenen Flüchtlinge zu uns kommen. Eine solche humane Grundeinstellung teilen wir erfreulicherweise mit sehr vielen Menschen überall in Deutschland. Hier zeigt sich unsere Bürgergesellschaft von ihrer besten Seite.
Gleichwohl können auch für Königstein, wenn uns noch eine größere Zahl zusätzlicher Flüchtlinge zugewiesen wird, erhebliche Unterbringungs- und finanzielle Probleme erwachsen. Hier müssen Bund und Land die notwendige Hilfe für Erwerb oder Bau der benötigten Unterkünfte gewähren und dürfen die Aufgaben nicht einer überlasteten Kommune und ehrenamtlichen Helfern überlassen. Es darf auch nicht Schule machen, dass Kommunen sich nicht anders zu helfen wissen, als durch Beschlagnahmen in private Eigentumsrechte einzugreifen, um die Unterbringungsprobleme zu lösen.
Wir sehen ein schwer zu lösendes Dilemma zwischen dem Elend der Menschen, die jetzt irgendwo im Balkan auf der Flucht unterwegs sind, hungern und frieren, und denen dringend humanitärer Hilfe geleistet werden muss, und der Notwendigkeit, den Zustrom weiterer Flüchtlinge nach Deutschland einzudämmen. Letzteres ist unbedingt erforderlich, um das von uns bejahte, grundgesetzlich verankerte politische Asylrecht für die Menschen, für die es gedacht ist, auf Dauer aufrechterhalten zu können.
Es muss daher dafür Sorge getragen werden, dass Menschen, die in ihrer Heimat Krieg oder politischer Verfolgung ausgesetzt und damit Flüchtlinge im Sinne des Grundgesetzes beziehungsweise der Genfer Flüchtlingskonvention sind, der vorgesehene Schutz gewährt werden kann. Um dies zu gewährleisten, müssen Menschen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen oder sich an Orten aufhalten, wo sie nicht unmittelbar gefährdet sind, möglichst davon abgehalten werden, zu uns zu kommen oder in die Herkunftsländer zurückgebracht werden. Solche Entscheidungen müssen von den zuständigen Behörden – unter Wahrung der Menschenwürde – wesentlich schneller als bisher getroffen und umgesetzt werden.
Im Übrigen ist das Asylrecht, das ein dauerndes Bleiberecht verschafft, in vielen Fällen das falsche Instrument. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner weist zu Recht darauf hin, dass der ethisch gebotene Schutz von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten auch durch eine an die Dauer der Bedrohung gebundene befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt werden könnte. Dieses Verfahren hatte in den 90er Jahren zur Bewältigung der Folgen des Balkankrieges beigetragen.
Unabhängig vom Zustrom von Flüchtlingen braucht unsere alternde Gesellschaft, in der immer weniger junge Menschen im arbeitsfähigen Alter und immer mehr alte Menschen leben, für unsere Wirtschaft und zur Erhaltung unserer Sozialsysteme zusätzliche Arbeitskräfte. Für diese müssen legale Möglichkeiten der Einwanderung durch ein modernes Einwanderungsgesetz geschaffen werden. Dadurch würde u.a. vermieden, dass Menschen, die bei uns arbeiten wollen und die wir hier auch brauchen, den verfehlten Weg über einen Asylantrag einschlagen.
Sowohl Einwanderer unter einem solchen Einwanderungsgesetz als auch Flüchtlinge, denen Asyl gewährt wird, aber auch Flüchtlinge mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis müssen möglichst rasch in unsere Gesellschaft integriert werden. Dazu gehört in erster Linie das Erlernen der deutschen Sprache und das Vertrautwerden mit den im Grundgesetz verankerten Grundwerten unserer Gesellschaft, wie z.B. Achtung der Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Toleranz oder Gleichberechtigung von Mann und Frau. Für die FDP ist die Akzeptanz dieser Werte die unverzichtbare Grundlage für ein gedeihliches Zusammenleben in Deutschland. Dies zu erreichen ist auch das Ziel der Integrationskurse, die für anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge obligatorisch sind. Bis zu einer Teilnahme an diesen vergehen jedoch oft viel zu viele Monate oder Jahre, in denen die Asylbewerber weder Sprachunterricht erhalten noch sinnvoll arbeiten können. Leider erleben wir auch in Königstein, wie die meisten Asylbewerber infolge der langen Bearbeitungszeiten ihrer Anträge in ihren Unterkünften mehr oder weniger zur Untätigkeit verdammt sind.
Hier leisten die vielen ehrenamtlichen Helfer als Mitglieder des Freundeskreis Asyl, der Kirchen, des Ausländerbeirats oder des Roten Kreuzes, um nur einige zu nennen, Unschätzbares, wenn sie die Flüchtlinge mit Sachspenden und Hilfe bei Behördengängen unterstützen oder Sprachunterricht erteilen und dabei zugleich vieles über das Zusammenleben der Menschen bei uns vermitteln. Darüber hinaus fördert es soziale Kontakte, wenn den Asylbewerbern die Teilnahme am Vereinssport, am Benefizlauf des Lions-Clubs, am Volksfest, am Burgfest oder anderen öffentlichen Ereignissen ermöglicht wird. Dieses Engagement verdient höchste Anerkennung und Unterstützung. Es ist nicht nur eine wertvolle Integrationshilfe, sondern beugt auch Unzufriedenheit oder gar Unruhen unter den Asylbewerbern selbst vor, wie sie in Kassel oder andernorts bereits vorgekommen sind.
Wir können dankbar feststellen, dass es in Königstein bisher gelungen ist, die zugewiesenen Asylbewerber angemessen unterzubringen und sie vor Ausgrenzung und Ghettoisierung zu bewahren. Daher sind bei uns auch bisher keine Anzeichen einer ernsthaften Beunruhigung der einheimischen Bevölkerung wahrzunehmen.
Dieses friedvolle Zusammenleben auch weiterhin zu gewährleisten und eine Integration im oben beschriebenen Sinn zu fördern, wird in der nächsten Zeit eine unserer wichtigsten Aufgaben sein, zu deren Bewältigung die FDP Königstein nach Kräften beitragen will. Damit dies auf Dauer gelingt, müssen aber auf Bundes- und europäischer Ebene die erforderlichen Entscheidungen gefällt werden, um die chaotischen Zustände auf der Balkanroute und im östlichen Mittelmeer zu beenden und eine faire Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union zu erreichen.
gez. Michael K. Otto gez. Alexander Frhr. v. Bethman
(Vorsitzender der FDP-Fraktion) (Vorsitzender des FDP-Ortsverbands)
Der Landesparteitag der FDP Hessen hat sich am 14. November 2015 in Oberursel ebenfalls sehr intensiv mit der Flüchtlings‑, Asyl- und Zuwanderungsthematik befasst und hierzu nach ausführlicher Diskussion folgenden Beschluß gefasst:
Zuwanderung steuern – Integration verbessern
Die Freien Demokraten bekennen sich in der Flüchtlingskrise zur humanitären Verantwortung unseres Landes. Das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention schützen Menschenrechte. Wer für die Freiheit eintritt, versteht, dass Menschen, die unter Diktaturen leiden oder von Krieg bedroht sind, den Weg in eine bessere Zukunft suchen. Wir sehen in jedem Flüchtling, der nach Deutschland kommt, den Menschen. Dem Menschen zu helfen ist uns Verpflichtung. Und gerade deshalb müssen wir handeln, um die Aufnahme-Fähigkeit Deutschlands nicht zu überschreiten und die Herausforderungen der Integration zu meistern.
Lesen Sie hier den vollständigen Beschluß des Landesparteitages: […]
Die Presse hat unser Streben nach einer rationalen Politik mit dem Blick auf die Würde des Einzelnen gut aufgenommen. Stellvertretend verweisen wir auf einen Kommentar der FAZ:[…]
FAZ vom 17.November 2015:
Kommentar
„Anstelle der CDU“
Es ist erfreulich, dass sich die FDP in der Flüchtlingspolitik nicht von den Denk- und Sprechverboten beeindrucken lässt, die die CDU aus Angst vor der politischen Konkurrenz ausruft.
17.11.2015, von MATTHIAS ALEXANDER