„Da ist eine gewis­se Unruhe“

Ein „typi­scher“ Liberaler:

Alex­an­der Frei­herr v. Beth­mann im TZ-Gespräch zum 75. Geburtstag

Er ist im soge­nann­ten Drit­ten Lebens­ab­schnitt in Sachen Kom­mu­nal-poli­tik und sozia­lem Ein­satz so rich­tig durch­ge­star­tet. Die Rede ist von Alex­an­der Frei­herr v. Beth­mann. Der FDP-Chef und viel­fach Enga­gier­te fei­ert heu­te sei­nen 75. Geburts­tag. Die TZ sprach mit ihm vor­ab über sei­ne Moti­va­ti­on, sei­ne Plä­ne und sei­ne Stadt. […]

© 2015 Frank­fur­ter Neue Pres­se (sj)

TZ: Herr von Beth­mann, mit wel­chem Gefühl gehen Sie in Ihren Geburts­tag?

ALEX­AN­DER FREI­HERR VON BETH­MANN (lacht): Das kann ich Ihnen gar nicht sagen, ich weiß ja nicht, was mich erwar­tet.

TZ: Sie wis­sen nicht, was Sie erwar­tet – wie haben wir das zu ver­ste­hen?

VON BETH­MANN: Eigent­lich woll­te ich direkt zu mei­nem Geburts­tag gar nichts machen, da ich in die­ser Woche als Betreu­er für die Johan­ni­ter mit einer Grup­pe von behin­der­ten Kin­dern und Jugend­li­chen in einem Zelt­la­ger in der Wet­ter­au bin. Ich woll­te dann in einer der nächs­ten Wochen ein wenig mit all denen fei­ern, die Lust dar­auf haben. Mitt­ler­wei­le ist aber auch mir zu Ohren gekom­men (lacht), dass Freun­de und Fami­lie da wohl etwas für heu­te geplant haben. Was es ist, weiß ich nicht. Aber ich freue mich dar­auf.

TZ: Sie sag­ten gera­de, dass Sie an Ihrem Ehren­tag als Betreu­er mit behin­der­ten Jugend­li­chen unter­wegs sind – wer Sie kennt, der weiß, dass Sie abseits des kom­mu­nal­po­li­ti­schen Ein­sat­zes noch viel­fäl­tig aktiv sind: Sie enga­gie­ren sich im Prä­si­di­um des Burg­ver­eins, in der evan­ge­li­schen Kern­stadt-Gemein­de, über­neh­men als Jurist die gesetz­li­che Betreu­ung älte­rer Men­schen … – was ver­ges­sen?

VON BETH­MANN: Ohne, dass ich stolz dar­auf wäre, dass die Lis­te wei­ter wächst, und nur, um auf Ihre Fra­ge zu beant­wor­ten: Ich küm­me­re mich der­zeit als Pate um drei Asyl­be­wer­ber – zwei Jesi­den und ein jun­ger Syrer – , die der­zeit in König­stein unter­ge­bracht sind.

TZ: Und das alles qua­si als „Spät­be­ru­fe­ner“. Sie haben erst im Ruhe­stand mit ihrem ehren­amt­li­chen Enga­ge­ment begon­nen – also in einer Zeit, in der ande­re ihr beruf­li­ches und oft auch ihr ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment zur Sei­te legen, um – wie es dann oft heißt – „zu leben“. Wie­so ist das bei Ihnen anders?

VON BETH­MANN: So lan­ge ich im Berufs­le­ben stand, war die Zeit für ein Enga­ge­ment in der Stadt doch beschränkt. Des­halb woll­te ich im Ruhe­stand etwas tun. Aller­dings folgt mei­ne ehren­amt­li­che Arbeit sicher kei­nem Plan, vie­les hat sich so erge­ben, hat sich ent­wi­ckelt. Aber wer sagt, dass das kein „Leben“ ist? (lacht) Schließ­lich neh­me ich aus mei­nem Enga­ge­ment auch viel für mich mit.

TZ: Zum Bei­spiel?

VON BETH­MANN: Zunächst ein­mal bin ich nicht der kon­tem­pla­ti­ve Typ, der nur her­um­sit­zen und ein gutes Buch lesen kann. Da ist schon eine gewis­se Unru­he in mir. Außer­dem bekom­me ich über mei­ne ehren­amt­li­che Arbeit immer neue Anre­gun­gen, erfah­re Din­ge, die mir sonst viel­leicht vor­ent­hal­ten blie­ben. Das mer­ke ich gera­de auch in der Arbeit als Pate der Asyl­be­wer­ber. Man bekommt einen ganz ande­ren Blick auf die Schick­sa­le, aber auch auf die büro­kra­ti­schen Abläu­fe und Hür­den, die zu neh­men sind. Und zu guter Letzt bin ich davon über­zeugt, dass mich mei­ne Pro­jek­te auch geis­tig fit und rege hal­ten. Ich sage augen­zwin­kernd immer, dass das mei­ne „Alz­hei­mer-Pro­phy­la­xe“ ist. Bei den jüngs­ten Vor­trä­gen beim König­stei­ner Forum, die ich so regel­mä­ßig wie mög­lich besu­che, wur­de von Fach­leu­ten immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es hilf­reich ist, wenn man sich auch im Alter stets neue Impul­se setzt.

TZ: Das ist zwar irgend­wie „typisch“ von Beth­mann, aber es scheint so „unty­pisch“ für einen FDP-Vor­sit­zen­den?

VON BETH­MANN: Wie­so „unty­pisch“?


„Neo-libe­ral“ passt nicht

TZ: Um es vor­sich­tig zu for­mu­lie­ren: Die Frei­en Demo­kra­ten kom­men einem nicht sofort in den Sinn, wenn es um sozia­les Enga­ge­ment geht.

VON BETH­MANN: Und genau das ist eines der pau­scha­len Vor­ur­tei­le, mit denen mei­ne Par­tei in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu kämp­fen und zu leben hat­te. War­um soll­ten bei uns Frei­en Demo­kra­ten weni­ger Men­schen sozi­al enga­giert sein als in ande­ren Par­tei­en? Auch bei uns Libe­ra­len gibt es ganz unter­schied­li­che Cha­rak­te­re und Inter­es­sen.

TZ: In jüngs­ter Zeit war aber meist mehr von den „Neo-Libe­ra­len“ zu hören, wenn es um die FDP ging.

VON BETH­MANN: Sicher nicht von uns und vor allem nicht von mir. Ich kann mit dem Begriff nichts anfan­gen. Was ist das, „neo-libe­ral“? Ich bin libe­ral, was für mich für bür­ger­li­ches Enga­ge­ment und eine mög­lichst gro­ße Frei­heit des Indi­vi­du­ums steht. Das impli­ziert aber auch, dass jeder, der die­se Frei­hei­ten für sich ein­for­dert, sich auch der dar­aus erwach­sen­den Ver­ant­wor­tung für das eige­ne Tun bewusst ist. Ich bin über­zeugt vom Prin­zip der sozia­len Markt­wirt­schaft, und ich hal­te nichts von einer Voll­kas­ko-Men­ta­li­tät, die zur Fol­ge hat, dass man immer gleich nach der Hil­fe des Staa­tes schreit, wenn etwas nicht wie gewünscht läuft. Es gibt gewis­se Lebens­ri­si­ken, die man selbst tra­gen muss. Wo das nicht reicht, sehe ich die Bür­ger­ge­sell­schaft gefor­dert – zum Bei­spiel auch in König­stein. Aus die­ser Über­zeu­gung her­aus enga­gie­re ich mich auch in der Stadt.

TZ: Und die­ses gro­ße Enga­ge­ment wol­len Sie auch künf­tig auf­recht­erhal­ten?

VON BETH­MANN: So lan­ge es die Gesund­heit mit­macht, man auf mei­nen Ein­satz Wert legt und ich hel­fen kann, war­um nicht? Ich muss Ihnen sicher nicht sagen, dass die Zahl derer, die etwas zu kri­ti­sie­ren haben, meist deut­lich über der Zahl derer liegt, die auch bereit sind, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und es bes­ser zu machen. Im kom­men­den Jahr wählt der Burg­ver­ein sein neu­es Prä­si­di­um – wenn sich da jün­ge­re Kräf­te fin­den, die sich mel­den, wür­de ich sagen: „An sie!“ Auch wenn die Arbeit im Team des Prä­si­di­ums wirk­lich Spaß macht und ich den­ke, dass wir auch bereits eini­ges bewe­gen konn­ten.

TZ: Abge­se­hen von die­ser Wahl steht Ihnen 2016 als FDP-Chef ja auch noch die Kom­mu­nal­wahl ins Haus, mit wel­chem Ziel gehen Sie in die Wahl?

VON BETH­MANN: Im Unter­schied zu Bun­des- und Lan­des­ebe­ne ver­fügt die FDP in König­stein mei­nes Erach­tens immer noch über eine sta­bi­le Mit­glied- und Wäh­ler­schaft – dar­auf sind wir stolz, und wir wol­len auch alles dafür tun, das damit ver­bun­de­ne Ver­trau­en durch unse­re Arbeit zu rechtfertigen.


Zukunft in der Fraktion

TZ: Um danach viel­leicht in das Amt des Stadt­ver­ord­ne­ten­vor­ste­hers zurück­zu­keh­ren?

VON BETH­MANN: Das wohl eher nicht. Bei der letz­ten Wahl hat­te ich ja mei­ne Bereit­schaft bekun­det, aber das ist jetzt auch schon wie­der vier Jah­re her. Mir macht die Arbeit in der Frak­ti­on Spaß, und dort sehe ich auch mei­nen Platz – vor­aus­ge­setzt, mei­ne Par­tei und die Wäh­ler geben mir ihr Ver­trau­en.

TZ: Haben Sie Sor­ge, dass Ihr Orts­ver­band für Feh­ler abge­straft wer­den könn­te, die wei­ter oben zu beob­ach­ten sind?

VON BETH­MANN: Ich den­ke, dass die Wäh­ler schon sehr gut unter­schei­den kön­nen zwi­schen kom­mu­na­ler und Lan­des- oder Bun­des­ebe­ne. Aller­dings glau­be ich auch, dass Ent­wick­lun­gen der Gesamt­par­tei sich natür­lich auf loka­ler Ebe­ne aus­wir­ken.

TZ: Hat die FDP das Schlimms­te hin­ter sich?

VON BETH­MANN (lacht): Ich bin nur ein Frosch in einem sehr klei­nen Teich – aus die­ser Per­spek­ti­ve fällt eine Bewer­tung schwer. Ich hof­fe aber schon, dass die FDP die Tal­soh­le durch­schrit­ten hat. Die Wah­len in Bre­men und Ham­burg waren da ers­te Mut­ma­cher – und die ver­meint­li­che Alter­na­ti­ve für unser Land hat ja auch sehr schnell ihr wah­res Gesicht gezeigt.

TZ: Ärgert es Sie eigent­lich, wenn eine Par­tei wie die AfD, die bis­lang so gut wie nichts vor­zu­wei­sen hat, so viel öffent­li­che und vor allem auch media­le Auf­merk­sam­keit fin­det, wäh­rend die FDP nur wenig Beach­tung fin­det?

VON BETH­MANN: Natür­lich wür­de ich mir wün­schen, wenn die Medi­en auch wie­der die eine oder ande­re Wort­mel­dung der FDP wie­der stär­ker berück­sich­ti­gen wür­den. Gera­de zuletzt ist es auf Lan­des- und Bun­des­ebe­ne doch etwas zu ruhig um uns gewor­den. Es ist ja nicht so, dass die Libe­ra­len nichts ver­lau­ten las­sen. Im Gegen­teil. Ich bekom­me regel­mä­ßig die Pres­se­mit­tei­lun­gen der Hes­sen-FDP, in den Medi­en jedoch lese, sehe und höre ich davon aber nur wenig. Ärgern bringt da aber nichts. Irgend­wie kann ich es auch ver­ste­hen, wenn die Medi­en der AfD oder wie die Grup­pie­rung gera­de heißt, aktu­ell mehr Inter­es­se wid­met. Der Nach­rich­ten­wert ist eben höher, wenn sich Petry und Lucke zer­flei­schen. An uns ist es, mit unse­rer Arbeit ver­lo­re­nes Ver­trau­en und damit auch Auf­merk­sam­keit zurück­zu­ge­win­nen.

TZ: Las­sen Sie uns abschlie­ßend dann doch noch mal einen Blick auf Ihren Geburts­tag len­ken: Was wün­schen Sie sich – für sich und Ihre Stadt?

VON BETH­MANN: Mal abge­se­hen von Gesund­heit und Glück für mei­ne Fami­lie und mich, sind da kei­ne gro­ßen per­sön­li­chen Wün­sche. Für mei­ne Stadt wür­de ich mir wün­schen, dass wir die Finan­zen in den Griff krie­gen – ein ers­ter Schritt ist hier mit dem Haus­halt 2016 gemacht – und wir so wie­der Mit­tel zur Ver­fü­gung haben, um zum Bei­spiel die Kon­rad-Ade­nau­er-Anla­ge wie­der „auf­zu­mö­beln“. Über­dies wür­de ich mir für unse­re Innen­stadt eini­ge Geschäf­te mehr wün­schen, der Leer­stand tut weh. Ich ver­su­che nach Mög­lich­keit, alle mei­ne Ein­käu­fe in der Stadt zu erle­di­gen, um den Ein­zel­han­del und damit auch das Leben in der Stadt zu unter­stüt­zen. Ich wür­de mich freu­en, wenn das mög­lichst vie­le König­stei­ner so halten.

Arti­kel vom 28.07.2015 Arti­kel: http://​www​.fnp​.de/​l​o​k​a​l​e​s​/​h​o​c​h​t​a​u​n​u​s​/​v​o​r​d​e​r​t​a​u​n​u​s​/​D​a​-​i​s​t​-​e​i​n​e​-​g​e​w​i​s​s​e​-​U​n​r​u​h​e​;​a​r​t​4​8​7​1​1​,​1​5​1​3​788

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